Ein Culture Book für das Einzelunternehmen »27grad Rohkostöle«
Die erste Ausgabe des Projekts »99 Culture Books by avak & friends« ist dem Einzelunternehmen »27grad Rohkostöle« gewidmet, einer jungen Marke, die Ellen Hirsch im Dezember 2020 gegründet hat. Ermöglicher und Kooperationspartner für diese Ausgabe ist Manuel Kreuzer —Büro für visuelle Gestaltung.
Keine Mitarbeiter und doch eine Unternehmenskultur?
Häufig glauben wir, dass wir von einer Unternehmenskultur nur dann sprechen können, wenn es mindestens so und so viele Mitarbeiter gibt, oder wenn die Unternehmung eine lange Tradition auf dem Markt hat. Die Grundlage für die Unternehmenskultur wird aber bereits durch die Gründer gelegt – in der Anfangsphase eines Unternehmens erleben wir die Kultur in Reinform. Nach und nach kommen dann mehr Akteure hinzu: Mitarbeiter, Lieferanten und Stammkunden. Alle diese Menschen haben von Anfang an eine Resonanz zur bestehenden Kultur, sonst würden sie sich nicht langfristig ans Unternehmen binden. So entwickelt sich die Kultur der ersten Stunde im Laufe der Zeit weiter. Je mehr Beziehungen das Unternehmen eingeht, umso komplexer und vielschichtiger wird die Kultur.
Beispiele externer Faktoren, die die Unternehmenskultur spiegeln
Sämtliche Routinen, Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten bei unseren geschäftlichen Beziehungen sind Indikatoren der eigenen Unternehmenskultur. Dazu gehört beispielsweise wie wir über unsere Kunden sprechen, wann wir die Lieferantenrechnungen begleichen oder wie wir mit Beschwerden umgehen.
Was bringt ein Culture Book?
Bereits die ersten Gedanken und die Beschäftigung mit der eigenen Kultur ist ein Gewinn für jedes Unternehmen. In der Kultur sind oft Schätze verborgen, die wir selbst nicht wahrnehmen, weil wir sie für selbstverständlich halten. In der Vorbereitungsphase für das Culture Book haben wir ebenfalls die Chance, Umgangsformen oder Routinen infrage zu stellen, die nicht mehr zu uns passen. So können wir schon bevor es ein Buch über unsere Kultur gibt, unsere Geschäftsbeziehungen vertiefen und verbessern.
Ein authentisches Culture Book
- verleiht der gelebten Unternehmenskultur Ausdruck und kommuniziert es erfolgreich nach außen,
- drückt die Wertschätzung des Unternehmens den bestehenden Partnern gegenüber aus,
- ist ein bleibender Wert für die kommenden Generationen,
- spielt im Onboarding-Prozess von neuen Mitarbeitern eine wichtige Rolle, und
- ist fürs eigene Branding von unschätzbarem Wert.
Jetzt aber genug der Theorie: Erfahre im Folgenden Details über die Beteiligten und über die Entstehung des Culture Books für 27grad.
Die Freunde des Projekts
Das Unternehmen
Bei den Gesprächen mit Ellen Hirsch haben sich für mich folgende Werte deutlich herauskristallisiert, die die Motivation und die Haltung der Marke 27grad ausmachen:
- die Liebe zur Natur und der verantwortungsvolle Umgang damit
- gesunde Ernährung
- hohes Qualitätsbewusstsein
- Heimatgefühl und regionale Verbundenheit
Neben dem inhaltlichen Konzept sah ich meine Aufgabe hauptsächlich darin, das Culture Book so zu gestalten, dass diese Werte bereits kommuniziert werden, noch bevor man den Inhalt gelesen hat. Bevor ich aber meine Herangehensweise an das Konzept erläutere, stelle ich meinen langjährigen Freund und Kollegen Manuel Kreuzer vor:
→ 27grad.info
Das Designbüro
Manuel Kreuzer —Büro für visuelle Gestaltung hat das gesamte Corporate Design für die Marke 27grad Rohkostöle gestaltet. Dazu gehören neben Logo und Geschäftsausstattung auch das Packaging und das Editorial Design sowie die Fotografie und die Website. Manuel hat Ellen und mich zusammengebracht. So hatte ich die Gelegenheit einer jungen Unternehmenskultur mit meinem Buch Ausdruck zu verleihen. Im Geschäftsleben dürfte es eine Seltenheit sein.
Manuel ist Typograf und ein genialer Gestalter. Seine große Liebe zu Schriften und der meisterhafte Umgang mit ihnen sind mittlerweile der rote Faden, der sich durch alle seine Arbeiten zieht. So ist auch seine Handschrift in diesem Culture Book deutlich zu erkennen.
→ mkreuzer.de
Das Culture Book
Üblicherweise adressieren Culture Books sowohl Mitarbeiter, als auch externe Partner. Da es in diesem Fall keine Mitarbeiter gibt, ist das Buch klar für Kunden, Partner und Interessenten bestimmt. Es geht also darum, die Werte und die Haltung der Marke nach außen zu kommunizieren.
Inhaltliches Konzept
Das Inhaltsverzeichnis zeigt, welche Inhalte ins Buch kommen. Neben der Gründungsstory und der Markenphilosophie interessieren sich gesundheitsbewusste und ökologisch orientierte Menschen für die Lieferkette und für das Ölgewinnungsverfahren. Jedem dieser Themen ist ein Kapitel gewidmet. Ich wollte aber auch, dass das Buch einen klaren Mehrwert bietet. Dies schaffen wir mit einem ausführlichen Kapitel über gesunde Ernährung mit vielen Rezepten für Gerichte, die man aus den 27grad-Produkten zaubern kann. Als Beispiel habe ich mein Lieblingsrezept »Nudeln mit Hanfpesto« ins Buch genommen (jeder Bestellung von 27grad liegen übrigens tolle Rezeptkarten bei). Die Vision, wo die Reise hingehen soll, darf meiner Meinung nach in keinem Culture Book fehlen, so auch hier nicht 😉
Designkonzept
Beim Format und bei der Größe des Buches habe ich mich an die 500-ml-Ölflasche orientiert, ebenso bei der Covergestaltung. Für den Gestaltungsraster habe ich mit der Zahl 27 gespielt und bin auf die Neun gekommen, die drei Mal in 27 steckt und auch die Quersumme von 27 ist. Dem typografischen Raster liegt beispielsweise eine neuner Teilung des Formats zugrunde.
Meine zwei am meisten geliebten Aufgaben bei der Buchgestaltung sind erstens die Material- und zweitens die Schriftfindung. Bezüglich der Ausstattung fragte ich mich, wie es mir gelingen könnte, die Werte Naturliebe, Gesundheit und Qualitätsbewusstsein mit der Ausstattung des Buches zu transportieren. Ich wollte ein edles Buch aus natürlichen Materialien und mit einem klaren Bezug zur Marke. Die Antwort fand ich bei den drei Samen, die Ellen Hirsch zur Ölgewinnung verwendet:
- Hanf: Das Inhaltspapier besteht aus 100 Prozent Hanf (von Gmund).
- Lein: feinstes Leinen als Bucheinband
- Schwarzkümmel: erst wollte ich Schwarzkümmel mit der Typografie verbinden, und suchte nach einer Kümmel-Schrift. Tatsächlich fand ich gleich zwei Schriften, die Caraway heißen, beide sind aber dermaßen grottig, dass ich sehr schnell von dieser Idee wegkam. Am Ende ist es die schwarze Farbe, die im Buch für den Schwarzkümmel steht (Einband, Vorsatz, Buchschnitt und Farbigkeit des Inhalts).
Grundsätzlich finde ich, dass ein Culture Book ruhig das Corporate Design verlassen darf — dazu vielleicht mehr bei einem der nächsten Projekte. Beim 27grad-Culture-Book merkte ich bald, dass dies nicht funktionieren würde. Die Marke an sich ist sehr jung, und ein völlig anderes Design beim Buch wäre eher irritierend gewesen. Bei diesem Projekt war die Wiedererkennbarkeit sehr wichtig, also verwendete ich die Corporate-Schriften, die Manuel bereits ausgesucht hatte. So lernte ich auch die wunderbare Colophon Foundry kennen.
Die Gesprächsrunde
Am 17. Februar habe ich mich mit Ellen Hirsch und Manuel Kreuzer über dieses Projekt, über Marken, Unternehmenskulturen und Design unterhalten. Siehe dir jetzt das Video auf YouTube an (ca. 30 Min.):
Ich fand es total spannend zu sehen, wie Catherine Avak mit »meiner« Gestaltung weiterarbeitet. Ihr respektvoller Umgang mit den Dingen und die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema hat mich wirklich überzeugt. Von dem Ergebnis ganz zu schweigen. Großartig! Ich wünsche Dir, liebe Catherine, viel Erfolg für dieses Projekt und ich freue mich auf die 98 weiteren Culture Books. Sehr sogar!