#16 — Wähl-O-man

Der Wahl-O-mat soll regelmäßig vor den Bundestagswahlen die Entscheidung der Wähler erleichtern, welche Partei(en) auf dem Wahlzettel angekreuzt werden sollen. Ich persönlich brauche diesen netten Dienst zwar nicht, beantworte die Fragen allerdings aus Neugier doch jedes Mal wieder. Bei den 2017-er Thesen ist mir aufgefallen, dass sich verhältnismäßig viele der Fragestellungen mit dem Thema Fremdenfreundlichkeit befassen – für meinen Geschmack viel zu viele. Ich bekomme unweigerlich den Eindruck, es sei DAS zentrale Thema in der Politik. Ähnlich nach dem TV-Duell von Angela Merkel und ­Martin Schulz hatte ich den Gedanken, die populistisch rechten Parteien wären die wirklichen Gewinner der aktuellen politischen Debatten. Anscheinend haben sie es geschafft, ihre eigenen zentralen Themen in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen. Das machte mich nachdenklich – und neugierig. So habe ich angefangen mit den Thesen, mit den Parteien und mit meinen eigenen Haltungen ein wenig zu spielen. Herausgekommen sind dabei zwei Infografiken, und so bin ich dabei vorgegangen:

Zuallererst habe ich die Aussagen in Kategorien einsortiert. Dass es viel zu viele »braune« Thesen gibt, habe ich oben bereits erwähnt. Bei dieser Sortierung ist mir aber zusätzlich aufgefallen, dass sich lediglich eine einzige Aussage im ganzen Wahl-O-mat mit der Außenpolitik beschäftigt, nämlich ob die Zusammenarbeit innerhalb der EU verstärkt werden soll. Ja, sind wir schon so sehr mit uns selbst beschäftigt, dass uns die Welt da draußen gar nicht mehr interessiert? Am Ende habe ich die Frage, ob wir wieder zu einer nationalen Währung zurückkehren sollen, der Außenpolitik zugeordnet, das passt aber nicht wirklich und macht mich nicht glücklich.

Im zweiten Schritt habe ich zu allen 38 Thesen im Wahl-O-mat Stellung bezogen. Obwohl ich bei manchen Themen eher unentschieden war, habe ich trotzdem ein klares Ja oder Nein vergeben. Fragen, die ich mit Ja beantwortet habe, finden sich in den Grafiken im hell-blauen ­Bereich, die Nein-Antworten im orangen. 33 Parteien sind bei den Bundestagswahlen vertreten, 32 haben im Wahl-O-mat Stellung bezogen. Ich habe sie mir alle angeschaut, und 12 Parteien ausfindig gemacht, mit deren grundsätzlichen Aussagen ich mehr oder weniger einverstanden bin. 12 weitere Parteien, würde ich nie wählen, diese sind in der zweiten Gruppe zu finden. Acht Parteien habe ich völlig außer Acht gelassen; diese tangieren mich einfach nicht, zum Beispiel die Magdeburger Gartenpartei oder die Partei der Humanisten (im Zweifel bin ich für alle Lebewesen).

Die Symbole in den Grafiken kennzeichnen meine persönlichen Übereinstimmungen bei der jeweiligen Frage mit der jeweiligen Partei. Ich bin zum Beispiel dafür, dass Deutschland einem Schuldenschnitt für Griechenland zustimmt. Die Grünen ebenfalls, also habe ich an dieser Stelle das Symbol der Grünen platziert. Die V-Partei3 stimmt dem nicht zu, weshalb die entsprechende Stelle leer geblieben ist.

Welche Erkenntnisse gewinne ich daraus

1. Den Wahl-O-mat kann man in der Pfeife rauchen.

Ich war davon ausgegangen, dass am Ende die Grafik mit meinen Ja-Parteien übersät wäre mit Symbolen, und die mit meinen No-Go-Parteien fast leer bleiben würde. Dem ist es leider nicht so! Ich musste feststellen, dass es doch einige Übereinstimmungen etwa mit der NPD, Der Rechten oder den extrem linken Pateien gibt. Ich persönlich kann mit dieser Information gut umgehen, da ich mich mit (fast) jeder Partei im Einzelnen auseinandergesetzt habe. Was fängt aber ein sonst politisch Nicht-Interessierter mit einer solchen Info an, der mit Hilfe des Wahl-O-mats einfach nur schnell eine Partei finden will, der er seine Stimme geben kann? Ich war zum Beispiel überrascht bzw. entsetzt, wie oft die Bayernpartei bei den Thesen die gleiche Meinung vertritt wie ich. Allerdings weiß ich, dass das zentrale Thema dieser Partei die Abspaltung Bayerns von der Bundes­republik Deutschland ist. Dass die Bayernpartei nun auch Projekte gegen Rechts­extremismus fördern will, interessiert mich in diesem Fall nicht die Bohne.

2. Es gibt einige Überraschungen!

Der Aussage »Arbeitsverträge sollen weiterhin ohne Angabe von Gründen befristet sein dürfen« stimme ich voll und ganz zu. Keine der 12 Parteien meiner Ja-Grafik sind da einer Meinung mit mir. Ups! Meine Haltung ist das Ergebnis davon, dass ich Unternehmerin bin, und dass ich mit unbefristeten Arbeitsverträgen doch manch negative Erfahrungen gemacht habe. Hier habe ich eine Übereinstimmung mit der Union und der FDP. So what? Die wähle ich eh nicht. Ähnlich verhält es sich mit der Besteuerung von hohen Vermögen. Ich zahle gern Steuern, für mich ist das eine durchaus soziale Haltung, aber nicht einmal Die Linke ist hier für eine Besteuerung, dafür aber Die Rechte! Boah, das hätte ich nie gedacht …

3. Infografiken sind toll, machen aber viel Arbeit ;–)

Mein Resümee: Der Wahl-O-mat ist ganz nett, kann aber auch ganz schön gefährlich sein, wenn man sich in den Zeiten zwischen den Wahlen nicht für Politik und die Parteien interessiert. Außerdem ist es durchaus angebracht, sich Gedanken über die Auswahl der dort erscheinenden Thesen zu machen. Jeder sollte sich fragen, ob die Themen, die für einen selbst wichtig sind, dort überhaupt behandelt werden. Ich wähle Die Grünen, und das wusste ich auch schon lange bevor ich beim Wahl-O-mat mit­gemacht habe, weil ich deren Haltung zu allen relevanten Themen kenne und diese meist befürworte.

Hinter dem Buchtitel »Wähl-O-man« versteckt sich die Anforderung »Wähle! O man!«. Sie steht für ein grundsätzliches Interesse für die Belange unseres Landes und unserer Welt. Will ich ein selbstverantwortliches Leben führen, so muss ich meines Erachtens auch bei politischen Themen Stellung ­beziehen und mein ­Mitbestimmungsrecht ernst nehmen.

Eckdaten

  • Format: 42 x 29,7 cm
  • Umfang: 4 Seiten + Umschlag
  • Schrift: Open Sans von Steve Matteson (2011)
  • Druck und Material: Fine-Art-Print auf Hahnemühle Photo Matt Fibre Duo, 210 g/qm